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Transparenz: Bisher Fehlanzeige

Martin Rücker

Nebeneinkünfte von ABgeordneten: Warum die Angaben fehlen

Nach den Lobby-Affären der vergangenen Wahlperiode sind neue Transparenzregeln für Bundestagabgeordnete in Kraft getreten. Doch neun Monate nach der Wahl lassen die Angaben zu den Nebeneinkünften auf sich warten – Transparency International wirft dem Bundestagspräsidium Versäumnisse vor.

5. Juli 2022

Maskendeals von Unionspolitikern, die Lobbytätigkeiten des jungen CDU-Abgeordneten Philipp Amthor und dubiose Verbindungen einzelner Parlamentarier zum autoritären Regime in Aserbaidschan hatten den Anstoß für strengere Transparenzvorgaben für Abgeordnete gegeben. Noch vor der Wahl beschloss der Bundestag im vergangenen Jahr neue Verhaltensregeln. Hauptamtliche Lobby-Funktionen sind parallel zum Mandat seither untersagt, Abgeordnete müssen zudem deutlich genauere Angaben zu ihren Einkünften aus Nebentätigkeiten machen als bislang.


Soweit die Theorie. Wer aktuell auf der Internetseite des Bundestages nach den Angaben der Volksvertreter sucht, findet in der Rubrik der „veröffentlichungspflichtigen Angaben“ keine Zahlen oder Firmennamen, sondern einen Standard-Hinweis. Die hier vorgesehenen Einträge der Nebeneinkünfte und Auftraggeber würden „grundsätzlich“ nach Ablauf der Meldefrist für die Abgeordneten sowie nach „Bearbeitung der Daten veröffentlicht“. Wegen der Novelle Abgeordnetengesetzes könne es zu Verzögerungen kommen.


Nicht alle Abgeordneten haben ihre Angaben gemacht


Die Parlamentarier haben drei Monate nach „Erwerb der Mitgliedschaft“ im Bundestag Zeit, ihre Angaben beim Präsidium einzureichen. Dazu erhalten sie einen einheitlichen Fragebogen. Die Rückmeldefrist ist längst abgelaufen: Am 26. Oktober vergangenen Jahres war der Bundestag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengekommen, Ende Januar mussten die Angaben also da sein. „Nahezu alle“ Abgeordnete seien dieser Pflicht nachgekommen, heißt es bei der Bundestagsverwaltung. Was umgekehrt bedeutet: Von einigen fehlen die Daten.


Dass auch vorliegende Angaben bislang nicht öffentlich sind, begründet die Verwaltung mit noch erforderlichen „Bearbeitungsschritten“. Ein Termin, bis zudem diese nicht näher beschriebenen Schritte abgeschlossen sein soll, wird auf der Bundestagsseite nicht genannt. Aufgrund der neuen Regeln sei die Bearbeitung „umfangreicher und zeitlich aufwendiger als in der Vergangenheit“, heißt es auf Anfrage. Zudem hatte der Ältestenrat des Bundestages erst am 12. Mai „Ausführungsbestimmungen“ zu den neuen Veröffentlichungspflichten erlassen. 


Aus Sicht der Transparency International Deutschland hätten die Angaben jetzt, neun Monate nach der Bundestagswahl, längst öffentlich sein müssen. „Es gibt ein Vollzugsdefizit“, kritisiert Norman Loeckel, Leiter der Arbeitsgruppe Transparente Verwaltung der Organisation: „Die Transparenzregeln werden nicht in dem Maße durchgesetzt, wie sie es sollten.“ Aus Sicht von Loeckel sollte anstelle des parteipolitisch besetzten Bundestagspräsidiums künftig eine „unabhängige Stelle“ die Einhaltung der Vorgaben überwachen, etwa nach Vorbild des Datenschutzbeauftragten. Denn, so der Vorwurf: „Im Präsidium fehlt das Bewusstsein dafür, dass die Transparenz wichtig ist zur Information der Bevölkerung.“


»Wo ist denn da der Nachrichtenwert?«


Anfragen beim Pressereferat des Bundestages legen nahe, dass diese Kritik nicht von der Hand zu weisen ist. Auf die Frage, wie viele Abgeordnete entgegen ihrer Pflicht noch keine Angaben über Nebentätigkeiten gemacht haben und welchen Fraktionen sie angehören, ist über Wochen hinweg keine Auskunft zu erhalten. Wo denn da der „Nachrichtenwert“ liege, fragt stattdessen die Leiterin der Parlamentspressestelle, Eva Haacke, am Telefon. Auch die beim Büro von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) hinterlegte Bitte, für Transparenz zu sorgen, bleibt ohne Ergebnis. Bereits die anonyme, rein „zahlenmäßige Angabe“, wie viele Abgeordnete ihren Meldepflichten nicht nachgekommen sind, stuft man als „parlamentarische Angelegenheit“ der Abgeordneten ein. Und diese seien vom grundgesetzlich verankerten Schutz der freien Mandatswahrnehmung erfasst, wie der Leiter des Präsidialbüros, Oliver Borowy, erklärt. Demnach bestünde aus rechtlichen Gründen kein Auskunftsanspruch.


Auch die Organisation Abgeordnetenwatch forderte zuletzt eine unabhängige „Transparenzkommission“, die bei den Angaben der Abgeordneten „nachforschen“ und Sanktionen bei Regelverstößen aussprechen soll. Die Erfahrung lehre: „Wenn keine Konsequenzen zu befürchten sind, halten sich auch einige Abgeordnete nicht an die Regeln.“


Die neuen Regeln sehen vor, dass Mitglieder des Bundestags Nebeneinkünfte von mehr als 3.000 Euro pro Jahr auf den Cent genau offenlegen, nicht mehr wie bisher nur in groben Stufen. Anwälte müssen zwar auch weiterhin keine Mandanten nennen, wohl aber die Branchen ihrer Auftraggeber. Transparency International reicht das nicht: Auch der zeitliche Umfang der Nebentätigkeiten solle publiziert werden. Nur so lasse sich prüfen, ob das Mandat, wie vorgeschrieben, auch wirklich im Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit steht.



Dieser Text erschien zuerst in der Frankfurter Rundschau. Foto: Deutscher Bundestag/Thomas Trutschel, photothek


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